PLEASURE CENTERS
Hanspeter Hofmann, Galerie Anke Schmidt, Köln, 2018
Ingo Niemann
Im Juni 2018 besuchte der Autor Ingo Niermann Hanspeter Hofmann in dessen Basler Atelier und ließ sich die Arbeiten der Ausstellung »Pleasure Centers« zeigen. Das Wechselspiel technischer und manueller Reproduktion in Hofmanns Bildern inspirierte Niermann zu folgendem Text.
Bald werden Maschinen in der Lage sein, jede stabile materielle Konstellation von überschaubarer Größe mikroskopisch genau zu reproduzieren. Nur mit Planeten und Lebewesen wird es noch dauern. Wollen Menschen sich mit Handgemachtem gegen die maschinelle Reproduktion behaupten und nicht andere Lebewesen missbrauchen, dann bleibt ihnen nur, an sich selbst Hand anzulegen.
Das Streben nach individueller Selbstoptimierung wird oft als Ausgeburt einer grenzenlosen kapitalistischen Verwertungslogik oder eines auf die kapitalistische Entsolidarisierung zurückzuführenden Narzissmus und Hedonismus verstanden. Doch sie antizipiert auch eine nahe Zukunft, in der sie das Einzige ist, was der Einzelne problemlos und zweifelsohne tun kann. Auch das Einzige, was sich einer eindeutigen Verwertung entzieht, da man im Besitz eines Unikats allein den Preis bestimmen kann. Ein vollständiger und dauerhafter Verkauf unserer selbst ist uns in liberalen Gesellschaften sogar verboten. Selbst wenn Menschen Unsterblichkeit erlangen würden, könnten sie sich darum noch immer nicht dauerhaft einer Sammlung oder einem Museum übereignen, wird nicht gleich die ganze Welt, wie von Nikolai Fjodorow imaginiert, in ein Menschenmuseum verwandelt.
Auch das Unikat ist vor allem und seit der Postmoderne explizit Reproduktion. Zunächst wird noch erwartet, dass die Reproduktion zumindest von Hand erfolgen und als solche originell sein muss, aber wenn das Material ein Lebewesen ist, dann verwandelt dieses automatisch jede applizierte Reproduktion in ein Unikat. Selbst wenn sich die Reproduktion für Außenstehende von anderen nicht unterscheidet, nimmt doch niemand sie wahr wie man selbst.
Eben da eine solche Kunst höchstens dokumentierbar und nicht wirklich erwerbbar ist, kann sie in der auf das Sammeln und Ausstellen ausgerichteten Kunstwelt zunächst nur eine marginale Rolle spielen. Das ändert sich mit der Einführung des Internets. Die Dokumentation von Kunstwerken auf einer mit geringen Mitteln geführten Website oder einem kostenfreien Social-Media-Account ist der in einem Museum in ihrer Archivfunktion ebenbürtig und in ihrer Zugänglichkeit sowie ihrer fortwährenden Fortschreibbarkeit weitaus überlegen.
Museen bleibt die Macht der Selektion, eben weil sie nur sehr begrenzt lagern und ausstellen können. Ein Museum muss nur mit einer begrenzten Anzahl anderer Museen konkurrieren, die alle zu erreichen enorm viel Zeit und Geld kosten würde. Allerdings wächst, allein schon weil ein Museum sich nicht von Beständen trennen darf, auch deren Zahl und Größe kontinuierlich an. Und auch wenn man Menschen nicht musealisieren kann, so kann man doch feststehende, von Menschen errichtete Strukturen unter Denkmalschutz stellen und nicht-menschliche Natur in Reservate verwandeln. Auch deren Zahl und Größe wächst beständig.
Während die Welt von Massenprodukten überflutet wird, wächst zugleich das Bestreben, alles, was dauerhaft einen bestimmten Platz einnimmt, als Unikat zu schützen und zu werten. Bald wird jedes Steinchen archiviert und zertifiziert sein wie ein Kunstwerk. So ist die Welt tatsächlich dabei, sich in ein Museum zu verwandeln, doch für Menschen ist darin nur noch als (konkurrierende) Sammler, (gelangweilte) Wächter, (zahlende) Besucher und (unbezahlte) Bestreiter des Public Programs Platz. Frei bewegen und musealisieren können sich Menschen nur virtuell.