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Hanspeter Hofmann: Ohne Titel, 2004
Heinz Stahlhut

Farbrausch und Überforderung
Hanspeter Hofmanns Bild ist in mehrfacher Hinsicht eine Überforderung!. So stehen die beiden bildbeherrschenden Töne – das helle Rosa und das dunkle Feuerrot – in einem solchen Kontrast, dass Auge nicht in der Lage ist, die Kontur der unrunden roten Felder zu fixieren, sondern dass diese zu pulsieren scheinen. Das Gemälde selbst lässt sich mit seinen Massen von 125 x 300 cm aus der üblich eingenommenen Distanz überhaupt nicht ganz erfassen. Der Betrachter muss daher entweder zurücktreten oder kann sich nur auf einzelne Details konzentrieren. Zur Übergrösse wiederum stehen die teilweise feinen kompositorischen Elemente wie die zarten, gelben und weissen Linien ebenso im Gegensatz wie die gelbe Blasenstruktur, die ins Mikroskopische zu führen scheint und sich realen chemisch-physikalischen Prozessen verdankt.

Summe der Moderne
Während dieser Gang ins Kleinteilige, aber auch die insgesamt fluide Erscheinung der Malerei an Hofmanns Zeit als Laborant gemahnt, stellt der Künstler in diesem Bild einmal mehr seinen virtuosen Umgang mit Merkmalen nahezu aller vorangegangenen Stile seit der Moderne unter Beweis: Verdanken sich das extreme Querformat und das All-over dem Abstrakten Expressionismus, so mag man den Ursprung der leuchtenden und irisierenden Farbigkeit, die je nach Betrachterstandort anders schimmert, in der Op Art, doch auch in der Pop Art suchen, die bewusst die banalen Niederungen der Warenästhetik für sich fruchtbar machte. Analog hat Hofmann in seinen Gemälden aus der Entstehungszeit des besagten Bildes immer wieder Druckbuchstaben von subkulturell besetzten Begriffen wie „Hardcore“ oder Fotos von Serienstars eingesetzt und so das eigentlich referenzlos Abstrakte mit Elementen des banalen Alltags kontaminiert.

Und schliesslich verweisen die natürlich anmutenden Formen, deren Grösse aufgrund des Fehlens innerbildlicher Referenzen nicht eindeutig bestimmbar ist, auf die Moderne. Denn schon die frühe Abstraktion beschrieb ihre Bilder als Darstellung natürlicher, mikro- oder makroskopischer Strukturen, die dem Auge normalerweise nicht sichtbar seien, um sich so dem Vorwurf der Beliebigkeit zu entziehen.

So zieht Hofmann mit seinen Werken eine Summe aus der Malerei der Moderne und Nachmoderne und schafft daraus etwas ganz Neues.