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Hanspeter Hofmann – Lucy
Pressetext, Kerstin Engholm Galerie, Wien, 2010
Nikola Dietrich

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In einer losen Bilderfolge sind mit ein paar wenigen, schwarzen Pinselstrichen 14 Portraits von Schimpansen vor einem jeweils monochromen grellen Bildhintergrund gesetzt. Sie präsentieren sich mit unterschiedlichen Gebärden und Mimiken – von ärgerlich, mürrisch, über amüsiert, spielerisch, bis hin zu kontemplativ kauernd – und decken damit ein weites Spektrum verschiedener Gefühlsregungen ab. Ganz in Pop-Art Manier sind sie nach dem Prinzip der Warholschen Vervielfältigung und Isolierung des Motivs vom Bildgrund geschaffen. Eine malerisch vollkommen andere Sprache sprechen weitere grossformatige Bilder mit Köpfen von Orang Utans im Halbprofil. Das von Hofmann bekannte, in seinen abstrakten Bildern verwendete Vokabular von ins Monumentale vergrösserten weissen Linien, die sich zu zellenartigen Gebilden mikroskopischer Laborproben verdichten, bilden den Hintergrund der malerisch ausgearbeiteten Portraits.

Die fotografischen Vorlagen zu diesen neuen Arbeiten entstammen der Publikation „Menschenaffen – Mutter und Kind“ (Basel 1996) des Zoologen Jörg Hess, der über Jahrzehnte hinweg die drei Menschenaffenfamilien im Zoologischen Garten Basel beobachtete. Sie könnten aber auch ebenso gut René Descartes als Illustrationen gedient haben für sein 1649 erschienenes aufklärerisches Werk „Die Leidenschaften der Seele”, in welchem er davon ausgeht, dass die in den Nerven enthaltenen Lebensgeister die Muskeln zu einem bestimmten Gesichtsausdruck veranlassen. Dass die einzelnen Portraits dann zusätzlich noch mit Vornamen betitelt sind, unterstreicht den Gedanken, dass sich Hofmann stellvertretend beim Portrait des Affen bedient, um Wesenzüge des menschlichen Antlitzes darzustellen.

Hanspeter Hofmann scheint mit diesen Werken seinem Suchen nach der Formel des Zusammenspiels von Kunst und Wissenschaft eine Darstellung verliehen zu haben, das seinen sonstigen Anspielungen an grundlegende Lebensprozesse einen motivischen Endpunkt setzt. Gleichzeitig ist der Menschenaffe spätestens seit dem 19. Jahrhundert wichtiger Forschungsgegenstand, um anhand von Evolutionsvorgängen und Verhaltensweisen Überschneidungspunkte mit dem Menschen auszumachen. Berührungspunkte zwischen wissenschaftlicher und künstlerischer Herangehensweisen herzustellen ist das Hauptanliegen im Werk von Hofmann. Diese Auseinandersetzung mit der Malerei führt er im Sinne eines „Allotrions“ (allotrion: griech. für „ein anderer Weg“). Einem Forscher gleich, ist Hofmann vor allem an den Nebenwegen interessiert, die ein bestimmtest Ziel umkreisen, und ihn auf immer neue Abzweigungen bringen. Deutlich wird dies auch bei einer weiteren Serie von fünf Bildern, die ganz in hellen Grautönen gefasst ist. Hierfür griff er auf frühere Kohlezeichnungen zurück, die er in einem Verfahren des Vergrösserns und der Positiv-Negativ-Umkehrung bearbeitet hat. Die dadurch entstandenen organischen Strukturen scheinen für einen kurzen Moment auf der Leinwand zum Stillstand gekommen zu sein, bergen aber zugleich das Potential im nächsten Moment in eine andere Form überzugehen.

Auch im Titel der Ausstellung Lucy schwingt der Balancezustand von Kunst und Wissenschaft mit, den Hofmann in seinem Werk anstrebt, steht er doch symbolisch für die Verschränkung beider: so soll bei der Ausgrabung des am besten erhaltenen Skeletts der frühen Vorfahren des Menschen angeblich unaufhörlich der Beatles-Song Lucy in the Sky with Diamonds gespielt worden sein, so dass dem Fund sogleich der Name Lucy zuteil wurde.


Hanspeter Hofmann – Lucy
Pressetext, Kerstin Engholm Galerie, Wien, 2010
Nikola Dietrich

Fourteen portraits of chimpanzees, painted with a few black brushstrokes on a monochrome and flashy background are set in a loose image sequence. They present themselves with different gesture and mimic – from angry and grumpy over amused and playful to contemplative cowered – they cover a wide spectrum of emotions. Following the manner of pop art, they are created in the idea of Warhol’s principle of duplication and isolation of the motif from the background.
A complete different language of painting is spoken by further large-sized works, which show orang-utans in semiprofiles. We know the vocabulary of the magnified white lines that summarize to cell structures from laboratory samples that build the background of those more painterly portraits, from earlier abstract works by Hanspeter Hofmann.
The photographic models originate from the scientific study „Menschenaffen – Mutter und Kind“ (Basel 1996) by the zoologist Jörg Hess, who studied the three ape families of the Basel Zoo over decades. But they could as well have illustrated Réne Descartes’ text „Les passions de l’âme“ (Passions of the soul) from 1649. Descartes assumed that vital spirits, which are located in nerves, trigger the muscles to a certain facial expression. The fact that the single portraits are titled with forenames emphasises the idea that Hofmann is using those ape portraits to depict characteristic traits of the human face.

It seems that Hanspeter Hofmann has given with those works an illustration to his search for a formula of the interaction between art and science that sets his former allusion to fundamental vital processes a motivic endpoint. Further the great ape is at least since the 19th century an important object of research, especially in finding interferences between the evolution and behaviours to the human. The main concern in the work of Hanspeter Hofmann is to make out the points of contact between artistic and scientific approaches. He discusses this dispute about painting as an „Allotrion“ (Allotrion: greek: „another way“). Like a scientist Hofmann is mainly interested in bypasses, which circuit around the aim and show him new branch lines. This gets obvious in a further serial of five paintings, which are kept in bright shades of grey. The artist refers in those to earlier charcoal drawings, which he transformed through different methods of enlargement and positive/ negative inversion. The resulting organic structures seem to be frozen on the canvas for one moment, but they contain the potential to move into another shape in the next one.

Even in the title of the exhibition „lucy“ resonates the balance between art and science, which Hanspeter Hofmann aspires in his works, as it stands as a symbol for the interconnection between both. During the archaeological excavation of the best preserved skeleton of the ancestor of men, the Beatles’ song Lucy in the sky with diamonds was played constantly and therefore the trove was given the name Lucy.