Hanspeter Hofmann, 3 x Reset
Pressetext, Galerie Tschudi, Glarus, 2010
Quinn Latimer
Hanspeter Hofmanns aktuelle Ausstellung wirkt wie ein leicht verzerrter Spiegel, in dem eine Vielzahl geografischer, kunsthistorischer und autobiografischer Bilder reflektiert (und über sie reflektiert) wird, die in ihrer Nachbarschaft zueinander funkeln und glänzen. Hofmann, der vor allem für seine verschlungenen, molekularen abstrakten Gemälde bekannt ist, die an Darstellungen der DNS oder mikroskopierte Zellhaufen denken lassen und die bisweilen mit vom Pop beeinflussten Motiven von Schimpansen sowie mit irritierenden Textslogans überlagert sind, präsentiert nun in der Galerie Tschudi, Glarus, neue Arbeiten, mit denen er einen entschiedenen Schritt über sein bisheriges Oeuvre hinausgeht, ohne dessen charakteristische Fäden aus den Händen zu verlieren.
Die systemträchtige Verschlungenheit von Hofmanns Bildern spiegelt sich auch in dieser Ausstellung wider, die weniger separate, autonome Arbeiten zeigt als vielmehr eine Installation oder etwas, das man als Post-»All-over-Painting« bezeichnen könnte. Dreizehn riesige, rötliche Felsblöcke sind über den Galerieboden verteilt wie Überbleibsel eines apokalyptischen Meteoritenschauers. Die glitzernden Felsen aus dem Geschiebe eines Gletschers – die hier Sernifit (Rotriesistei) genannt werden – entstammen der berühmten Tektonikarena von Glarus, einem geologischen Weltnaturerbe der UNESCO. Während die Findlinge zunächst unbearbeitet erscheinen mögen, wird der Betrachter bald der systematischen und horizontalen Schnitte gewahr, die durch einige von ihnen wie für eine wissenschaftliche Untersuchung gesetzt wurden. Hofmann hat die beiden Hälften sodann leicht gegeneinander verschoben, um die Querschnitte sichtbar werden zu lassen. Einige der Steine sind sogar mithilfe einer Stützkonstruktion geöffnet, sodass die Felsen wie offene Münder wirken, was ihnen einen merkwürdig humoristischen Zug verleiht – Felsbrocken, die mit einem Male plastisch und puppenhaft werden. Das Aufschneiden der Felsen, wie um Fossilien und andere Belege für Alter und Wandel ans Tageslicht zu bringen, ist eine verwirklichte Metapher für Hofmanns Ansatz einer Kunst als Wissenschaft. Derweil weisen die Querschnitte Quarzadern und andere Linienzeichnungen auf, wie sie auch in den Gemälden des Künstlers oftmals näherungsweise dargestellt sind.
Doch während Hofmanns Felsblöcke findig die geologische Geschichte vor der Tür der Galerie spiegeln, reflektieren sie auch deren eigene Geschichte auf spielerische Weise: Die Galerie Tschudi ist in der Schweiz bekannt für ihr Engagement für Künstler des Minimalismus und der Land Art und ihre Ausstellungen etwa von Carl Andre und Richard Long (dem Schöpfer jener ehrfurchtsvollen Steinkreise). Damit würdigen die Felsblöcke listig die strenge skulpturale Tradition, in deren Rahmen Hofmanns Ausstellung stattfindet. Weitere Komplexität wird ihrer erwarteten Nüchternheit durch eine heitere Textilarbeit hinzugefügt, die an einer Wand herabfällt und sich über den Fußboden der Galerie ergießt, um wie ein Strom die Anordnung der Felsen in zwei mit Findlingen besetzte Ufer zu teilen. Die lange, schmiegsame Seidenarbeit mit dem Titel Rapport (2011) zeigt ein Bestiarium von Bildern, die aus Hofmanns jüngeren Bildern zusammengelesen sind. Bevorzugte Motive von starrenden und spielenden Schimpansen, abstrakte Felder, die an Wasser oder Sonnensysteme denken lassen, sowie grafische Schattierungen in hellem Gelb sind die Elemente, aus denen sich dieses große Kaleidoskop zusammensetzt.
Da die Arbeit in der Mitte geteilt und gespiegelt ist, erinnert Rapport an einen leicht verschobenen Rorschach-Tintenklecks mit seiner langen Traditionslinie in der zeitgenössischen Kunst – von Andy Warhols Rorschach-Gemälden bis zu Matthew Barneys Cremaster-Filmen. Doch die Hauptfunktion der Rorschach-Bilder ist ein (heute überkommener) psychologischer Test zur Diagnose der Persönlichkeit und deren Wahrnehmung, womit sich wiederum unschwer an Hofmanns wissenschaftliche Interessen anschließen lässt. Und nicht zuletzt sind die Schimpansen, die bereits in den Gemälden des Künstlers eine markante Rolle gespielt haben, unsere nächsten Verwandten – skandalöserweise werden sie anstelle von Menschen als Versuchsobjekte bei medizinischen Experimenten genutzt, während die Wissenschaft in den letzten Jahren immer größere Ähnlichkeiten zwischen ihnen und den Menschen festgestellt hat. Sie sind, mit einem Wort, ein Spiegel unserer selbst. Gleichzeitig bezieht sich Hofmanns Seidenarbeit auch auf die spezifische Geschichte von Glarus: in diesem Fall auf die lange Tradition der Textilindustrie, die ihren Gipfel in der Mitte des 18. Jahrhunderts erreichte, als die Mehrzahl der Einwohner von Glarus in den weltberühmten Spinnereien, Webereien und Textildruckereien beschäftigt war. Wie die Felsen, mit denen die Landschaft übersät ist, finden sich überall in Glarus die schlanken Schornsteine der alten Textilfabriken, die die industrielle Vergangenheit nachdrücklich in Erinnerung rufen. Zudem wurde Hofmanns Rapport vor Ort in der südlich des Stadtzentrums gelegenen Seidendruckerei Mitlödi produziert.
Die zutiefst diskursive Ausstellung wird durch eine Reihe von schwarzweißen abstrakten Gemälden komplettiert, in denen Hofmanns eigene künstlerische Biografie aufscheint. Indem sie sowohl auf das Menschliche auf mikroskopischer Ebene wie auf den umfassenden Kosmos verweisen, bieten diese mysteriösen Gemälde, die wie kleine, monochrome Fenster über den Felsblöcken hängen, einen – sowohl rückwärts wie womöglich auch vorwärts gerichteten – Blick auf das Schaffen des Künstlers in den letzten zehn Jahren. Und damit macht sich der Titel der Ausstellung »3 x Reset« geltend: drei Werkgruppen – die Felsen, der Stoff und die Gemälde –, die jeweils einen bestimmten historischen Moment und dessen stets flexible, oft manipulierte Form zum Ausdruck bringen – und, im rastlosen Geist des Künstlers: reseten.
Hanspeter Hofmann, 3 x Reset
Quinn Latimer
Hanspeter Hofmann’s current exhibition functions like a subtly distorted mirror, reflecting (and reflecting upon) myriad geographical, art historical, and autobiographical images that glitter and glare in their proximity to each other. Best known for his circuitous, molecular-like abstract paintings, which suggest maps of DNA or constellations of cells under a microscope, and which are sometimes overlaid with Pop-inflected motifs of chimpanzees and jarring textual slogans, Hofmann is presenting a new body of work at Galerie Tschudi, Glarus, that is a distinct departure from his larger oeuvre while retaining many of its characteristic threads. The system-laded circuitry of Hofmann’s paintings is reflected in this show, which is less an exhibition of discrete, autonomous works than an installation or, one might say, a post-allover painting. Thirteen enormous, rose-colored rocks are scattered over the gallery floor like remnants of an apocalyptic meteor shower. The glittery, glacier-produced rocks—locally called Sernifit—are gleaned from Glarus’s famous tectonic arena and unique mountainscape, a geologic UNESCO world heritage site.
If the rocks at first appear unmediated, the viewer then notices that nearly all have been systematically and horizontally sliced open, as if for scientific inquiry. Hoffman then shifted the two halves slightly, so the cross-sections become apparent. A few are even propped open, so the rocks gape like mouths, giving them a curiously humorous look—boulders made suddenly malleable and puppet-like. If Hofmann’s rocks are an adept mirror of the geological history right outside the door, they also playfully reflect upon the gallery’s history itself: Galerie Tschudi, of course, is famous within Switzerland for its championing and showing of Minimalists and earthworks artists like Carl Andre and Richard Long (he of the, yes, reverent rock circles). Thus the rocks are a sly acknowledgement and critique of the austere sculptural tradition in which Hofmann is exhibiting. Further complicating their expected sobriety is the bright textile work that falls down one wall and flows across the gallery floor, splitting the assembled rocks like a river into two boulder-laden shores. Titled Rapport (2011), the long, lithe silk work features a bestiary of imagery gleaned from Hofmann’s recent paintings. Favored motifs of staring and playing chimpanzees, abstract fields conjuring water or solar systems, and graphic washes of bright yellow color form the kaleidoscopic whole. Split and mirrored at its center, Rapport suggests a slightly askew Rorschach inkblot, which has a long lineage in contemporary art, from Andy Warhol’s Rorschach paintings to Matthew Barney’s Cremaster films. Nevertheless, the Rorschach’s primary function is a (now outdated) psychological test measuring individuation and perceptive functioning, which readily aligns with Hofmann’s scientific interests. Furthermore, the chimpanzees, which have figured prominently in the artist’s paintings, are our closest relatives—infamously used as test cases in place of humans for medical trials, while in recent years, the distance between them and humans has been found by scientists to be increasingly smaller.
They are, in short, a mirror of ourselves. Simultaneously, Hofmann’s silk work also references Glarus’s specific history: in this case, its long tradition of textile manufacturing, which reached its world-renowned peak in the mid-1800s, when spinning, weaving, and textile printing employed most of Glarus’s population. Like the rocks that dot the region, slender smokestacks from old textile plants are everywhere in Glarus, an insistent reminder of its industrious past. Likewise, Hofmann’s Rapport was produced at the local Seidendruckerei Mitlödi, just south of Glarus’s town center. Completing the materially discursive exhibition is a number of small black-and-white abstract paintings that reflect Hofmann’s own artistic autobiography. Suggesting both the human at the microscopic level and the larger cosmos, the mysterious paintings, which hang like small, monochromatic windows above the rocks, offer a view—both backwards and perhaps forwards—of the artist’s creative production over the past decade. Thus is the exhibition’s title „3 x Reset“ invoked: three bodies of work—the rocks, the textile, and the paintings—that each embody (and, in the artist’s restless mind, reset) a particular historical moment and its ever-malleable, oft-manipulated form.